Musikleben in ernster Gefahr!

Eilige können direkt zur Petition der Musikhochschule vorstoßen. Der folgende Aufruf stellt die Perspektive unseres eigenständigen Vereins dar.




Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, insbesondere Baden-Württembergs,

wie Sie vielleicht schon aus der Presse wissen, beispielsweise aus der überregionalen Musikzeitschrift „nmz“, plant die Landesregierung, aus Geldgründen u.a. den gesamten Klassik-Bereich der Mannheimer Musikhochschule zu schließen, einschließlich der Lehrerausbildung. Dass dabei zwangsläufig auch das Collegium Musicum Mannheim in seiner jetzigen Form unter die Räder kommen dürfte, werden diejenigen unter uns bedauern, die ihm als Mitglieder, Publikum und Freunde verbunden sind.

Es droht aber noch erheblich größerer Schaden. Selbst wer sich nur ums Geld kümmert und am Musikleben überhaupt nicht interessiert ist, weiß, dass die Wirtschaft heutzutage einen großen Ballungsraum nur dann attraktiv findet, wenn sie sicher sein kann, genügend Akademikerfamilien dorthin locken zu können. Diese hinwiederum wünschen sich, dass dort der „Geist“ herrscht und entsprechendes Prestige verleiht. Dazu gehört in Deutschland u.a. eine Universität, eine Oper und eine Musikhochschule mit Klassik-Ausbildung. Diese Institutionen strahlen sowohl direkt mit ihren Mitgliedern als auch indirekt in das Geistesleben der Region aus, deutlich spürbar selbst für Personen, die sie gar nicht selbst nutzen wollen. Mittelfristig droht also nicht weniger als die Abwanderung potenter Arbeitgeber und Steuerzahler aus der Region; der Geiz wäre teuerst bezahlt. Speziell für Mannheim ist klassische Musik ein Standort-„Markenkern“, unter Anderem durch den Begriff „Mannheimer Schule“ und Mozarts Aufenthalte; um so schlimmer wird es sich auf das Ansehen auswirken, wenn die zugehörige Substanz weiter schwindet. Die geplante Pop/Jazz-Vertiefung könnte da nur wenig kompensieren. (Wohlgemerkt: auch die letztgenannten Kultursparten, wie alle anderen, sind für die Regionen und füreinander wichtig – sie sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen!)

Eine breitflächige Musikhochschullandschaft hat ihren Hauptsinn nicht etwa darin, den Studierenden kurze Wege zum Elternhaus zu ermöglichen. Vielmehr ist eine gute Musikausbildung auf den Dialog mit dem Kulturleben der Region dringend angewiesen. Es liegt auf der Hand, dass eine Konzentration auf wenige Standorte, wie von der Landesregierung geplant, die dortigen Wechselwirkungsmöglichkeiten pro Student weiter verknappen würde, während sie anderswo brach lägen. Dabei geht es nicht nur um Handfestes wie persönliche Mitwirkung am Musikleben zwecks Praxiserfahrung und Studienfinanzierung, sondern allgemein um den Kontakt zwischen Musikertum und Gesamtgesellschaft, zum großen Nutzen beider. Gerade der Rhein-Neckar-Raum mit seinem Hinterland hat hier vielfältiges Potenzial, wofür das CMM ein gutes Beispiel ist: Bereits in den Proben und geselligen Runden kommunizieren Musikhochschule, andere Bildungseinrichtungen und Privatwirtschaft direkt miteinander, jenseits von Geldfragen. Die Konzerte verbreitern die Basis noch einmal erheblich.

Pikant ist der Satz eines Ministerialbeamten: „Das Ministerium ist nicht für die Bespaßung der ländlichen Region zuständig.“ Schon die Wortwahl zeugt von einem merkwürdigen Verständnis vom Sinn seiner Institution – stellen Sie sich vergleichsweise vor, das Verteidigungsministerium spräche vom „Herumballern in Afghanistan“. Aber auch sachlich gesehen ist der gute Mann allenfalls rein formal im Recht: Von dem „Spaß“ profitieren Ausbildung und Region gleichermaßen, ferner die Volksbildung und im Endeffekt die Staatskasse. Bei der Lehrlingsausbildung schwärmt die Politik vom Dualen System und klopft sich darob selbst auf die Schulter – im Musikwesen geschieht Ähnliches ganz ohne den Staat, sofern er es nur nicht behindert. Das Zitat war auf Trossingen gemünzt; in Mannheim geht es sowohl um ländliche als auch städtische Regionen, beide an hohe Musikqualität gewöhnt.

Wenn Einsparungen politisch nicht verhindert werden können, gibt es verschiedene Möglichkeiten dafür, die in der Fachwelt diskutiert werden. Was davon gar niemandem wehe tut, ist hoffentlich schon ausgeschöpft. Die geographische Konzentration würde aber nicht einmal dann als gute Sparidee überzeugen, wenn man von den erwähnten katastrophalen Nachteilen absehen könnte. Diejenigen Hochschulen, die sich momentan noch vom Rotstift verschont glauben, sollten wissen, dass St. Florian bei Flächenbränden den Dienst einstellt.

(Wer sich um die Qualität der Weltelite sorgt: Deren Ausbildung ist seit jeher auf relativ wenige Lehrkräfte und folglich auf wenige Standorte konzentriert, aber eben pro Fach oder Lehrstuhl, nicht für ganze Abteilungen. Aus guten Gründen: Auch Ausnahmemusiker sind auf den Kontakt zum Rest der Welt angewiesen, weit mehr als etwa Ausnahmewissenschaftler.)

Alle, denen das Gedeihen unserer Gesellschaft insgesamt am Herzen liegt, nicht nur unserer Region, müssen energisch ihre Stimme erheben. Bitte unterzeichnen Sie die Petition der Musikhochschule. Noch wirkungsvoller ist aber, wenn Sie persönlich Ihren Protest öffentlichkeitswirksam ausdrücken. Begründen Sie ihn mit Argumenten, die Fernstehenden einleuchten. Gerne dürfen Sie auf diese Seite verweisen oder daraus zitieren; vergessen Sie aber bitte nicht, Ihre eigene Zustimmung zu bekunden.

Ihr

Collegium Musicum Mannheim

Dr. Wolfgang J. Westerhaus (1. Vorsitzender, hauptberuflich Finanzberater)
Dr. Alexander Scheutzow (Webredakteur, hauptberuflich Software-Entwickler)


     
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